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München-Marathon 2002

13.10.2002 Medien-Marathon 42,2 Km

in München

Jetzt gehöre ich dazu! Ich muß nicht mehr sagen: "Ich trainiere für den Marathon". Nun sage ich: "Ich laufe Marathon!". Das ist ein gewaltiger Unterschied. Aber, wie war das eigentlich? Heute, 24 Stunden nach dem Lauf schreibe ich die Ereignisse nieder. Über meine Vorbereitung steht unter Training genug. Hier beschreibe ich nur das Davor, das Während und das Danach.

Davor

Am Donnerstag begann mein Hals ein wenig zu kribbeln. Das machte mich sehr unruhig, da dies in der Vergangenheit immer eine Erkältung/Halsentzündung nach sich zog. Freitag und Samstag wurde es etwas stärker, blieb aber im Rahmen. Ich hatte kein Fieber und so beschloss ich zu starten. Bis zum Tag vor dem Medien-Marathon lag meine avisierte Zielzeit bei 4:05 bis 4:12 Stunden (< 6:00 Min/Km). Mein Laufguru Wolfgang Haas (2001 Sieger Berlin-Marathon Altersklasse M65) hatte mir eine Zielzeit von ca. 4:00 in Aussicht gestellt. Diese Zeit ist das Ergebnis des Feldstufentests von vor 3 Wochen. Die VHS-Gruppe, mit der ich mich teilweise vorbereitet hatte, traf sich auf der Marathon-Messe um die Startunterlagen zu holen und letzte Details zu besprechen. Insbesondere Susa bat mich, in die 4:00 - Gruppe zu kommen, die von Wolfgang angeführt werden sollte. Da mein Traum insgeheim eine Zeit unter 4:00 war, gab ich dem Drängen nach und wollte die professionelle Führung in Anspruch nehmen.

Auf der Marathonmesse selbst war ich ungemein diszipliniert und setzte gerade mal 5 € um. Die investierte ich in ein Paar dünne Laufhandschuhe, die mir bei der vorherrschenden Witterung (7 Grad, bedeckt und Nieselregen) evtl. nötig erschienen. Es gab wirklich viel zu sehen und es fiel mir echt schwer den Geldbeutel geschlossen zu halten.

Zuhause begann meine unmittelbare Planung des Laufes. Sehr hilfreich war der gute Streckenplan aus der Startertüte. Meine Frau gab meiner Bitte nach und sagte mir ihre Unterstützung an der Strecke zu. Ich plante ihren Einsatz so, daß sie mich 5x an der Strecke zu Gesicht bekam und alles bequem mit der U-Bahn und dem Rad fahren konnte. Sie sollte zunächst bei km 6 stehen und mir eine Trinkflasche reichen, die ich da zwar noch nicht brauche, aber der Übung diente. Schließlich mußten wir uns in der Masse ja auch gegenseitig erkennen. Außerdem war hier Gelegenheit evtl. noch die Kleidung anzupassen. Bei km 16 sollte sie mir die nächste Flasche reichen und evtl. Fotos machen. Bei km 27 wollte ich wieder eine Flasche bekommen und einen meiner beiden Trinkgürtel los werden. Der km 37 diente der Motivation und dem ablegen des zweiten Laufgürtels. Kurz vor dem Ziel stand dann das "Finisherfoto" auf dem Plan.

Interessanterweise machte ich mir in den Tagen und Stunden vor dem Start keine Gedanken darüber, ob ich die Distanz überhaupt bewältigen könnte. Da hatte ich keinerlei Zweifel. Meine Vorbereitung erschien mir gut und ich hatte Motivationsübungen entwickelt, die sich im Training als praktikabel erwiesen. Mir bereitete das Drumherum Kopfzerbrechen. Hier wollte ich eine perfekte Organisation hinlegen.

Die Nacht vor dem Lauf verlief ohne besondere Vorkommnisse und ich schlief gut. Das Experiment vom Vorabend, statt Nudeln 2 Pizza (Pizzas? Pizzen?) mit Tomaten, Käse und Schinken zu essen, führte zu keinen Problemen. Ich stand um 5:30 Uhr auf und frühstückte gleich. Es gab 5 Toastbrote mit Butter und Honig sowie Wasser. Allerdings brach bei mir die Nervosität durch und das bekam auch mein Magen zu spüren. Nach 4 Toasts war Schluß. Er wollte nichts mehr. Der Pulsmesser zeigte mir rund 90 Schläge pro Minute an, was etwa 25 Schläge über Normal war. Also begann ich damit, mir meine Getränke zu mixen. Ich den letzten Monaten hatte ich viel experimentiert und meine Magen ist entweder robust, oder er hat sich mittlerweile an die verschiedensten Pülverchen, die man so in Wasser auflösen kann, gewöhnt. Mein Plan war folgender: Vor dem Start gab's 0,5 l Ultra-Buffer (je 0,25 l 1 Std. und 15 Min. vor dem Startschuß). In meinen 8 kleinen Trinkflaschen (im Volksmund auch "Handgranaten" genannt) befand sich eine Mischung aus Ultra-Buffer und Maxim (50/50). Die 0,5 l, die mir meine Frau bei km 6 reicht, enthielt ebenfalls Ultra-Buffer. Bei km 17 + 27 war in den Flaschen eine Mischung aus Champ Energie-Depot und Maxin (Kohlenhydrate für die zweite Hälfte). Außerdem steckte ich 6 Squeezy ein. So ausgerüstet wähnte ich mich unabhängig von jeglicher Streckenverpflegung. Im Gegensatz zur Planung war ich jedoch in der Ausführung schlampig. So unterlief mir der Fehler, daß ich bei meinen "Handgranaten" nicht daran dachte, daß ich von Ultra-Buffer und Maxim je nur die Hälfte nehmen darf. Nun hatte ich eine etwas konzentrierte Brühe im Gürtel. Ich entschied dann, als ich den Fehler bemerkte, es aber dabei zu belassen.

Meine Brustwarzen klebte ich gewissenhaft ab und die Fußzehen bekamen eine ordentliche Portion Vaseline ab. Die Söckchen hatte ich ordnungsgemäß schon am Vortag getragen. Die Kleiderfrage erwies sich als äußerst knifflig. Es war draußen 7 Grad, bedeckt und es nieselte leicht. In der Wettervorhersagte wurden für München ein frischer Wind vorhergesagt. Die Regenwahscheinlichkeit lag bei rund 60 %. Ich entschied mich für mein ODLO-Shirt, daß etwas dicker ist und einem Leibchen ("Singlet") drüber. Die dünne Hose ging bis zum Knie und sollte ausreichen. Gestern bin ich 20 Min. getrabt und hatte bei gleichen äußeren Bedingungen mit langer Hose schon leicht geschwitzt. Auf dem Kopf mein dünnes Stirnband (Ohren) und mein Käppi gegen den Regen (wir Brillenträger sind bei diesem Wetter echt benachteiligt!). Die neuen (aber schon gewaschenen) Handschuhe sollten ebenfalls zum Einsatz kommen. Meine Frau bekam eine Regenjacke (falls ich sie unterwegs  brauche) und Klamotten für nach dem Lauf eingepackt. Ich selbst zog mir alte Sachen an, die ich zur Not zurücklassen konnte.

Das Olympiastadion erreichte ich nach 10 Min. zu Fuß und dort traf ich die VHS-Gruppe. Wir gingen gemeinsam zur Taschenabgabe und gaben Tipps zur Klamottenfrage zum Besten. Es hatte wieder angefangen zu nieseln und der Himmel verhieß nichts Gutes. Ein letzter Gang zum Klo und dann reihten wir uns im 4:00 - Block ein. Es herrschte zum Glück kein Gedränge und (Kompliment an die Teilnehmer!) es verlief alles sehr diszipliniert. Kurz vor dem Startschuß ein Blick an den Himmel (es hatte gerade aufgehört zu nieseln) und da: Eine klitzekleine Lücke !!! Wir konnten fast schon den Himmel sehen. Ich musste nochmal pinkeln und dann konnte es los gehen!

Der Lauf

Wie zu erwarten, tat sich nach dem Startschuß erst einmal nichts. Es dauerte rund 5 Min., die wir mit Scherzen überbrückten, bis sich der Lindwurm an unserer Stelle in Bewegung setzte und eine weitere Minute, bis wir die Startmatten für die Zeiterfassung überschritten. Und schon ging es los! Unsere Gruppe von 5 Leuten versuchte zusammen zu bleiben, was auch gut gelang. Leider gab es Gruppen, die meinten, mit 5 und mehr Läufern nebeneinander laufen zu müssen. Leute, schaltet mal euer Hirn ein. Schön, wenn Ihr das im Training so gemacht habt, aber da waren auch keine schnelleren Läufer hinter Euch! Bei km 2 drückte die Blase wieder. Ich entschied mich für die Pinkelpause und schloß dann wieder gemächlich zur Gruppe auf. Wolfgang, der die Gruppe zu den 4:00 Stunden führen wollte, meinte bei km 4, daß wir ab dem nächsten km etwas schneller laufen würden. Das leuchtete mir zwar nicht ein, da wir schon optimal in der Zeit lagen. Der geplante Schnitt betrug 5:41 Min/Km. Nun ja, der nächste Km wurde in 5:28 absolviert. Wolfgang ließ sich davon nicht beirren und behielt das Tempo bei. Km 6 passierten wir mit 5:26 und ich entschied mich, alleine in meinem Tempo weiter zu laufen. Ich ließ die anderen ziehen. Meine Frau stand planmäßig an der verabredeten Stelle und gab mir die Flasche. Auf die Regenjacke verzichtete ich, da es eher nach besserem Wetter aussah. Ich fühlte mich absolut wohl in meiner Haut und genoß den Lauf. Den Ärger über das zu hohe Tempo des "Pacemakers" vergaß ich schnell und konzentrierte mich ganz auf das Laufen. Nach km 9 leerte ich nochmals die Blase und reihte mich wieder in die Läuferschar ein. Die km 10 passierte ich in planmäßigen 56:40 Min und fühlte mich gut.

Etwa bei KM 6
Ich bin super drauf!

In der Schellingstraße zwischen km 10 und 11 kam es zur Begegnung zwischen den langsamen und schnellen Läufern, da hier eine Schleife eingebaut war. Ich sah die letzten Läufer, die von einem Polizeiwagen und dem Lumpensammler verfolgt wurden. Sie taten mir leid. Gleich ging's wieder auf die Leopoldstraße, auf die mittlerweile vereinzelte Sonnenstrahlen fielen. Ich leerte die Flasche aus und schob ein Squeezy nach, daß ich mir einer "Handgranate" runterspülte. Zwischenzeitlich überholte ich einen Pacemaker für 4:15 Stunden, der offenbar vergessen hatte, was auf seinem Rücken steht. Nun ging's durch die Fußgängerzone und am Marienplatz war, wie erwartet, die Hölle los. Richtung Isartor wurde es schnell wieder einsam. Hier sollte meine Frau auf mich warten. Ich konnte sie jedoch an der verabredeten Stelle nicht entdecken. Das störte mich jedoch nicht, da ich mich dann eben an den Getränkeständen, die es in ausreichender Zahl gab, bedienen würde. Plötzlich hörte ich meinen Namen und meine Frau winkte mir. Sie stand rund 300 Meter weiter als ich sie erwartet hatte. Ich bekam meine Flasche und sie ein "ICH LIEBE DICH". Nun lag die einzige nennenswerte Steigung vor mir. Sie entpuppte sich aber als verträglich. 20 Höhenmeter über 700 Laufmeter verteilt sind zu verkraften. Hinter km 16 hatte ein Autohaus einen Sonderstand mit Weizenbier und Weißwurst aufgebaut. Die Angebote fanden regen Zuspruch! Ich konnte nur den Kopf schütteln, fand es aber auch witzig. Jeder muß selbst wissen was er macht und lässt. Die nächsten 2 km wurden etwas einsam, was ich dafür nutzte, mir selbst zu bestätigen, wie gut es mir geht. Meine km-Zeiten langen durch die Bank bei 5:32 bis 5:48. Besser konnte es eigentlich gar nicht laufen! Mein Puls überschritt selten die Marke 170 und ich warf regelmäßig einen Blick darauf. Bei km 20 wurde ein zusammengebrochener Läufer notärztlich versorgt (hatte schon die Infusion im Arm). Meine Durchgangszeit lag bei exakt 1:53:00 und sie war perfekt! Allerdings machten sich nun meine Waden bemerkbar. Ich begrüßte sie herzlich und forderte sie auf, mich bis in's Ziel zu begleiten. Nur keine negativen Gedanken aufkommen lassen! Meine Zeit für den Halbmarathon lag bei ca. 1:59:15. Sauber! Darauf wieder ein Squeezy.

Etwa bei KM 28Auf den kommenden km machte ich meinen ersten Laufgürtel leer um ihn bei meiner Frau loszuwerden. An der Strecke gab es gerade hier immer wieder kleine Zuschauergruppen, die alle Läufer toll anfeuerten. Da ich bereits meine Motivationsprogramme gestartet hatte (Erklärung dazu unten) lief ich mit einem Dauerlächeln und bekam von den Zuschauern oft ein Lächeln und eine Zusatzanfeuerung zurück. Seit dem Halbmarathon sah ich immer mehr Läufer, die eine Gehpause einlegen mußten oder schlicht stehenblieben. Bei km 23 legte ich meine nächste Pinkelpause ein. Und zurück in's Glied. Ich hatte keine Lust mit drückender Blase zu laufen und wenn es schon sein muß, dann lieber gleich. Je weiter ich laufe, desto schwerer wiegt das Stehenbleiben. Meine Frau stand perfekt, konnte Fotos schießen und mir meine Flasche geben. Den Trinkgürtel warf ich ihr vor die Füße. Sie wünschte mir alles Gute und ich warf ihr eine Kußhand zu. Ich genoß den leichten Bergablauf und spulte mein Motivationsprogramm ab. Meine Zeiten zwischen dem Halbmarathon und km 30 lagen bei 5:31 bis 5:46. Meine Wadenmuskulatur machte sich mittlerweile ordentlich bemerkbar. Ich schickte ihr ab und an einen Gruß und ignorierte sie ansonsten. Die kurzzeitigen Gedanken, zur Schonung das Tempo etwas zu drosseln, wurden sofort wieder verworfen. Mein Motivationsprogramm nahm mich mittlerweile sehr in Anspruch. Machmal flogen die Kilometer nur so dahin. Meine Durchgangszeit für 30 km lag bei 2:49:57. Daran gab es nichts auszusetzen. Es schien, als wäre eine Zeit unter 4:00 tatsächlich drin.

Die nächsten 6 km ging es fast zuschauerlos durch den Englischen Garten. Mittlerweile waren die Proteste meiner Waden sehr deutlich. Das war meine Ignoranz aber auch. Allerdings konnte ich das Tempo nicht mehr so halten. Das lag teilweise aber auch an den anderen Läufern, die an den Verpflegungsständen die ganze Strecke blockierten oder rücksichtslos quer über die Strecke liefen. Auch Zuschauer störten teilweise massiv. Hinzu kam, daß ich mittlerweile pausenlos mit Überholvorgängen beschäftigt war. Viele Läufer waren ziemlich am Ende und gingen mitten auf den schmalen Wegen. Das war stellenweise ein großes Ärgernis. Sicherlich ist das auch auf mangelnde Erfahrung der Teilnehmer zurückzuführen. Aber ändert nichts an der Behinderung. Da ich meiner Frau bei km 37 meinen anderen Laufgürtel geben wollte, machte ich mich daran ihn zu leeren. Außerdem mußten wieder mal ein Squeezy daran glauben. Allerdings signalisierte mir mein Magen, daß er mit der konzentrierten Brühe nicht einverstanden war. Er rebellierte sehr deutlich. Aber ich mußte doch trinken! Also trank ich noch einen Schluck. Fast hätte ich gekotzt und ich brauchte dringend stilles, klares Wasser! Das bekam ich auch einen halben km weiter. Selten hat mit Wasser so gut getan! Mein Magen war froh über die Verdünnung und beruhigte sich sogleich. Bis km 37 waren meine km-Zeiten 5:41 bis 5:49. Ich registrierte zwar, daß ich langsamer wurde, verkrampfte aber nicht. Mit einer Gesamtzeit unter 4:05 Stunden wäre ich sehr zufrieden (redete ich mir ein) und die war momentan problemlos erreichbar. Hauptsache, der Schnitt fiel nicht unter 6:00 Min/km. In Schwabing war die Hölle los. Leider! Die Zuschauer machten die Strecke so schmal, daß nur noch 2 Läufer nebeneinander laufen konnten. Da jetzt etliche Teilnehmer einbrachen und gingen bzw. nur noch trabten, kam es hier zu massiven Staus. Das war sehr ärgerlich und kostete Zeit. Für diesen km 38 brauchte ich 5:59 und ärgerte mich sehr. Aber meine Frau kam ja gleich in Sicht und darauf konzentrierte ich meine Gedanken. Und da stand sie auch! Sie feuerte die Läufer an und ich winkte ihr schon von weitem zu. So hatte sie Gelegenheit noch den Fotoapparat in die Hand zu nehmen. Ich warf ihr den Trinkgürtel vor die Füße und sie rief mir ein: "Du schaffst es!" zu. Wie ich diese Frau liebe! Kurz darauf fuhr sie mit dem Fahrrad an mir vorbei und feuerte mich nochmal an. Meine Waden drohten mittlerweile mit Streik und ich mit Streikbrechern. Die Aussicht, nur noch 4 km laufen zu müssen, war Motivation genug. Ich wollte es wissen. So gab ich etwas Gas. Den km 39 erreichte ich so schon nach 5:34 Min. Sauber! Bei km 40 wollte ich dann Gewissheit haben, ob es wirklich unter 4:00 Stunden werden können. Bis dahin benötigte ich zwar wieder 5:53 (warum auch immer), aber die Durchgangszeit von 3:47:38 sagt mir, daß es reichen könnte. Schließlich war die Strecke jetzt nur noch flach mit einem leichten Gefällte zum Stadion hin.

Noch 4 KM bis in's Ziel

Den km 41 erreichte ich nach 5:48 und hatte somit wieder Zeit verloren. Egal! Im Stadion schien eine super Stimmung zu sein. Die Musik bummerte und die Zuschauer jubelten. Da! Kurz vor dem Einlauf in's Stadion stand meine Frau und ein Nachbar mit seiner Tocher und sie feuerten mich an. Noch 500 Meter bis zum Stadion. Ich gab Gas. Durch eine schmale Gasse zum großen Marathontor und dann hinunter in's Stadion. Die Musik war laut. Wir liefen durch ein Tor mit Diskobeleuchtung und Nebelschwaden auf die Tartanbahn im Innenraum. Wahnsinn!!! (Ich bekommen beim Schreiben gerade eine Gänsehaut bei der Erinnerung). Noch 300 Meter. Das Stadion tobt! Ich renne was das Zeug hält. Überhole noch Läufer und erreiche das Ziel! Ein Blick auf die Uhr: 3:59:47!!! Wahnsinn !!!

Danach

Ich schnappe mir schnell meine Finisher-Medallie und was zu trinken und gehe dann umher. Mir fällt auf, daß es mir bedeutend besser zu gehen scheint, wie den meisten hier. In der Masse versuche ich meine VHS-Gruppe zu finden. Nach einem Rundgang fand ich sie. Wir gratulierten uns gegenseitig herzlich zum Sieg über den Marathon. Die Gruppe war, wie von mir erwartet, doch recht schnell gewesen und hatte das Ziel bei ungefähr 3:56:00 erreicht. Ich bekam einen Krampf im linken Fuß, den ich aber wirkungsvoll bekämpfen konnte und mein einziger Krampf bleiben sollte. Weil meine Frau draußen wartete verabschiedete ich mich und verlies das Stadion. Da wir die Tribüne hinauf mussten, ging es nur zögerlich vorwärts. Einige Läufer/innen mußten sich am Geländer nach oben ziehen. Ich holte meine abgegebenen Sachen und ging zu meiner Frau. Wir umarmten uns herzlich und ich spürte, daß sie schon stolz auf mich ist. Schnell zog ich mich um und verabschiedete mich wieder von meiner Frau, die unsere Kinder wieder einsammeln mußte (wir hatten sie auf Freunde verteilt).

Ich stellte mich bei der Urkundenausgabe an. Leider wurden die Urkunden nicht verschickt und so war der Andrang entsprechend groß. Nach einer guten Stunde hatte ich sie dann in der Hand und mußte zu meinem Schreck feststellen, daß darauf sowohl brutto als auch netto 4:06:19 vermerkt war. Das konnte schlecht sein und ich reklamierte das umgehend (sehr zur Freude derjenigen, die hinter mit anstanden). Die gestressten Mädels konnten mir jedoch nicht helfen und ich ging zum Marathon-Infostand. Dort verwies man mich auf den Stand von Mika-Timing, die die Sache organisierten. Hier schilderte ich mein Problem, daß man auch sofort als solches erkannte. Was nun folgte war jedoch ein Witz: Ich wurde gefragt, wieviel Minuten nach dem Startschuß ich denn losgelaufen sei. Ich antwortete, daß ich 3:59:47 gestoppt hatte. Das würde nichts helfen, bekam ich als Antwort. Also rechnete ich zurück und sagte: "so ca. 6 - 6 1/2 Minuten". Daraufhin verschwand die junge Dame wieder und kam nach 10 Minuten mit einer neuen Urkunde wieder, auf der netto 3:59:31 verzeichnet war. Ob das ungefähr hinkäme, wurde ich gefragt! Man hat also den Fehler nicht gefunden, sondern einfach die Startzeit manuell verändert. Ich gab mich damit zufrieden, da ich befürchtete, eine weitere Reklamation würde einen Streik provozieren. So ging ich nun zum Medallienstand um mir das Ding gravieren zu lassen. Ich mußte sie da lassen und sollte in einer Stunde wiederkommen. Für mich kein Problem, da ich ja um die Ecke wohne. Ich lief nach Hause und ließ mich von Frau und Kindern feiern. Nach einer Dusche und einem schönen Stück Kuchen ging es mir besser. Mit dem Fahrrad fuhr ich zurück zum Stadion und nach einer weiteren halben Stunde hatte ich meine Medallie in den Händen.

Was tat mir in den Stunden nach dem Zieleinlauf weh! Zunächst die Waden, die sicherlich nicht mehr lange mitgemacht hätten. Auch die Füße waren in Mitleidenschaft gezogen. Allerdings hatte ich keine einzige Blase. An der linken Brustwarze hat sich das Pflaster gelöst und ich hatte eine leichte Reizung. Wenn ich saß, konnte ich kaum aufstehen und die Waden taten die ersten Schritte barbarisch weh. Etwa eine halbe Stunde nach dem Lauf bekam ich Schmerzen im linken Fuß. Der Fuß konnte beim Stehen nicht voll belastet werden. Die Schmerzen verschwanden jedoch nach etwa 20 Min. wieder. Abends fingen die Fersen an zu schmerzen und auch die Schienenbeinmuskulatur meldete sich. Gegen Ende des Marathons spürte ich, daß ich leichte Kopfschmerzen bekam. Das kam bei mir immer, wenn ich nicht ausreichend mit Flüssigkeit versorgt bin. Da bin ich sehr empfindlich. Die Schmerzen wurden jedoch nicht so stark, daß ich Tabletten nehmen mußte. Am späten Abend waren sie verschwunden. Ebenfalls gegen Abend fingen beide große Zehen an zu schmerzen und wurden sehr druckempfindlich. Das ich auch am nächsten Tag geblieben. Mit Kreislauf und Verdauung habe ich nach dem Lauf keinerlei Probleme gehabt. Klar, der Puls war erhöht und mein Kreislauf arbeitete wie wild. Das machte sich auch über eine leicht erhöhte Temperatur bemerkbar.

Fazit

Ich bin tierisch stolz auf mich. Einen Tag danach muß ich sagen, daß es mir gut geht. Es war nicht so schlimm, wie ich befürchtet hatte. Überrascht war ich davon, wie gut es funktioniert hat, keine negativen Gedanken während des Laufens aufkommen zu lassen. Wenn ich mir die einzelnen Zeiten anschaue, dann ist es mir gelungen sehr gleichmäßig zu laufen: Erster HM in 1:59:15, zweiter HM in 2:00:32. Auch die jeweiligen 10-km Zeiten bestätigen das: 56:40, 56:20, 56:57, 57:41.

Motivationsprogramme

Meine Motivationsprogramme funktionierten folgendermaßen:

A) Ich hatte mir einen Friedhof eingerichtet, auf dem ich jeden Kilometer feierlich beerdigt habe. Jedesmal zählte ich langsam die Kreuze durch, die schon dort standen. Das nahm, bei zunehmender Distanz, einiges an Zeit in Anspruch.

B) Bei km 17 begann ich, mit jedem Kilometer einen Buchstaben im Alphabet hochzuzählen. D.h.: Bei km 17 begann ich mit dem Buchstaben A. Ich mußte einen positiven Satz bilden, der mit A begann. Bei km 18 mußte ich einen positiven Satz mit A und einen mit B bilden. Usw.

Mit beiden Programmen vertrieb ich mir die Zeit und war so ordentlich beschäftigt.